II. Die Moralität
§ 189
Die Moralität enthält den Satz: "schaue dich in deinem Handeln als freies Wesen an"; oder sie fügt das Moment der Subjektivität dem Handeln hinzu, daß nämlich 1. das Subjektive als Gesinnung und Absicht dem, was an sich Gebot ist, entspricht und daß, was Pflicht ist, nicht aus Neigung oder irgendeiner fremdartigen Pflicht willen oder mit Eitelkeit auf das Gutsein, sondern aus der Gesinnung getan werde, weil Pflicht ist; 2. betrifft sie somit den Menschen nach seiner Besonderheit und ist nicht bloß negativ wie das Recht. Ein freies Wesen kann man nur gehen lassen, dem besonderen Menschen aber etwas erweisen.
§ 190
Das Gute ist der Inhalt der Pflichten, nämlich der Grundbestimmungen, welche die notwendigen menschlichen Verhältnisse enthalten oder das Vernünftige in denselben. Das Böse ist, was mit Willen auf die Zerstörung eines solchen Verhältnisses geht. Das Schlechte ist, wenn, obgleich nicht mit direktem Vorsatz, aber mit Wissen, aus Schwäche gegen einen Trieb der Sinnlichkeit oder eine Neigung des Herzens Pflichten verletzt werden.
§ 191
1. Die notwendigen menschlichen Verhältnisse jedes Menschen zu sich selbst bestehen a) in der Selbsterhaltung, daß das Individuum die äußerliche physische Natur sich unterwerfe und angemessen mache. b) Von ihm als seiner eigenen physischen Natur muß es seiner geistigen Natur Unabhängigkeit erschaffen. c) Seinem allgemeinen geistigen Wesen muß es sich unterwerfen und angemessen machen, Bildung überhaupt.
§ 192
2. Das Familienverhältnis ist die Natureinigkeit von Individuen. Das Band dieser natürlichen Gesellschaft ist Liebe und Vertrauen, das Wissen dieser ursprünglichen Einigkeit und des Handelns im Sinne desselben. Nach ihrer besonderen Bestimmung kommen den Individuen, die diese Gesellschaft ausmachen, besondere Rechte zu; insofern diese aber in der Form von Rechten behauptet würden, so wäre das moralische Band dieser Gesellschaft zerrissen, worin jeder wesentlich aus der Gesinnung der Liebe das erhält, was ihm an sich zukommt.
§ 193
3. Das moralische Verhältnis zu anderen überhaupt gründet sich auf die ursprüngliche Identität der menschlichen Natur. Die Pflichten der allgemeinen Menschenliebe bestehen in wohlwollender Gesinnung, in den allgemeinen, wesentlichen Dienstleistungen nach dem Zufall eines Verhältnisses. Moralische Pflichten zu näheren und dauernden Dienstleistungen entspringen aus dem in freiem Willen gegründeten Verhältnis von Bekanntschaft und Freundschaft.
(Hier sind die letzten Grenzen der Endlichkeit. Es kommt auf den Augenblick an.)
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