Zweiter Abschnitt: Der praktische Geist
§ 173
Der praktische Geist hat nicht nur Ideen, sondern ist die lebendige Idee selbst. Er ist der sich aus sich selbst bestimmende und seinen Bestimmungen äußerliche Realität gebende Geist. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Ich, wie es nur theoretisch oder ideell und wie es praktisch oder reell sich zum Gegenstande, zur Objektivität macht.
§ 174
Der praktische Geist heißt vornehmlich freier Wille, insofern das Ich von aller Bestimmtheit, in der es ist, abstrahieren kann und in aller Bestimmtheit unbestimmt und in der Gleichheit mit sich selbst bleibt.
§ 175
Der Wille als der innerlich bestimmende Begriff ist wesentlich Tätigkeit und Handlung. Er setzt seine inneren Bestimmungen in äußerliches Dasein über, um sich als Idee darzustellen.
§ 176
Zur Tat gehört der ganze Umfang von Bestimmungen, die mit einer hervorgebrachten Veränderung des Daseins in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Zur Handlung gehört zunächst nur dasjenige, was davon im Entschluß oder Bewußtsein war. Nur dies anerkennt der Wille als das Seinige und als seine Schuld, die ihm eigentlich zugerechnet werden kann. Aber auch dieses ist im weiteren Sinne unter der Schuld zu befassen, was von den Bestimmungen der Tat nicht bewußt wurde, aber bewußt werden konnte.
§ 177
a) Das praktische Gefühl begreift die praktischen rechtlichen und moralischen Bestimmungen und Gesetze zwar in sich, aber unmittelbar, daher unentwickelt und ungedacht und vornehmlich unrein durch die Beimischung der subjektiven Einzelheit. Es ist wesentlich zu bemerken, daß das praktische Gefühl keinen anderen wahrhaften Inhalt hat, als die bestimmt gewußten Rechte, Pflichten und Gesetze sind, - daß es einerseits dunkel und durch die Einzelheit bestimmt ist, andererseits nur insofern über das bestimmte Bewußtsein derselben gesetzt werden kann, als an ihnen vereinzelt festgehalten wird und es gegen sie eine Totalität sein kann.
§ 178
b) Das Gefühl einer praktischen Bestimmung und zugleich das Gefühl ihres Widerspruchs, ein Innerliches, nicht Realisiertes zu sein, dem doch zugleich die Realität wesentlich ist, ist der Trieb. Er gehört der subjektiven Natur an und ist nur auf seine Bestimmtheit gerichtet. Die Begierde ist eine einzelne Bestimmung des Triebes, und durch das Angemessen- oder nicht Angemessensein des äußerlichen Daseins zu ihr wird das Gefühl zum angenehmen oder unangenehmen. In Trieb und Begierde ist der praktische Geist in der Natürlichkeit ein abhängiges unfreies Wesen.
§ 179
c) Der Geist muß sich erheben aus der Versenktheit in die Triebe zur Allgemeinheit, so daß die Triebe nicht in ihrer Besonderung für sich als absolute gelten, sondern ihre Bestimmungen nur als Momente der Totalität ihre Stelle und richtigen Wert erhalten, wodurch sie von der subjektiven Zufälligkeit gereinigt werden.
§ 180
Die Bestimmungen des Geistes machen seine Gesetze aus. Sie sind aber nicht äußerliche oder natürliche Determinationen desselben; seine einzige Bestimmung, in der alle enthalten sind, ist seine Freiheit, die sowohl die Form als der Inhalt seines Gesetzes ist, das ein rechtliches, moralisches oder politisches sein kann.
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