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Georg
Wilhelm Friedrich
Hegel

Nürnberger Schriften

I. Texte zur Philosophischen Propädeutik

1.Philosophische Enzyklopädie
für die Oberklasse
(1808 ff.)

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B. Einbildungskraft

§ 145

In der Erinnerung fällt die Vorstellung der ehemaligen Anschauung und die jetzige unmittelbar ineinander.
Ich habe nicht zweierlei vor mir, die Anschauung und die Vorstellung, sondern nur, daß ich sie schon gehabt habe,
daß sie schon die meinige ist; insofern ich nun auch die Vorstellung als verschieden von der Anschauung vor mir habe,
ist dies die Einbildungskraft.
Insofern kann aber Anschauung und Vorstellung auch gänzlich verschieden sein.

§ 146

1. Reproduktion der Vorstellung überhaupt.
Die Einbildungskraft als Reproduktion der Vorstellung überhaupt ruft die Bilder und Vorstellungen ohne die gegenwärtige, ihnen entsprechende Anschauung wieder hervor und läßt sie für sich ins Bewußtsein treten.

§ 147

2. Als tätig bringt die Einbildungskraft die aufbewahrten Bilder und Vorstellungen in mannigfaltigen Zusammenhang miteinander, welcher von demjenigen verschieden ist, den sie als Anschauungen hatten.

§ 148

Diese Verknüpfung kann nach mancherlei Bestimmungen, welche die Vorstellungen enthalten, geschehen.
Die verschiedenen Verknüpfungsweisen sind sehr uneigentlich Gesetze der Ideenassoziation genannt worden.

§ 149

Die Bestimmung der Verknüpfung kann ein mehr oder weniger oberflächlicher oder gründlicher Zusammenhang sein:
bloße Gleichzeitigkeit oder gleicher Ort zweier Vorstellungen, - oder irgendeine Ähnlichkeit, auch Kontrast derselben, Verhältnis als Ganzes und Teile, Ursache und Wirkung, Grund und Folge usw., überhaupt jede Art sinnlicher oder geistiger Beziehung. Dieser Zusammenhang steht vornehmlich unter der Herrschaft eines Interesses des Gemüts, einer Leidenschaft,
oder des geistigen Charakters überhaupt.

§ 150

Der Unterschied der Bilder von den Anschauungen ist im Bisherigen angegeben. Das gewöhnliche Bewußtsein macht ihn unmittelbar im wachen und gesunden Zustande. Aber im Schlaf, in außerordentlichen Zuständen, in Krankheit fällt dieser Unterschied für dasselbe hinweg, und die Einbildungskraft beherrscht es gegen die Anschauung und gegen höhere geistige Kräfte.

§ 151

a. Das Träumen.
Im Traumschlaf kommen uns Reihen von Vorstellungen vor, die wir nicht von Anschauungen unterscheiden, welche durch Erinnerungen oder auch durch gegenwärtige Empfindungen veranlaßt sind, übrigens aber auf das Zufälligste und Willkürlichste vermischt und aneinandergehängt werden.
- Den Ahnungen, Visionen, der Schwärmerei usf. liegen zwar tiefere Interessen oder Kräfte zugrunde als die bloße Einbildungskraft, aber sie sind mit einer besonderen Erhöhung derselben verknüpft, welche innere, dunklere Gefühle zu Bildern macht und ihnen die Stärke von Anschauungen gibt.

(Sympathie mit der Natur. Sogenanntes Voraussehen. In der Wirklichkeit schläft die Zukunft. Die Wirklichkeit ist zugleich die Möglichkeit des Folgenden. Orakel, Prophezeiung aus Vogelflug, den Eingeweiden der Tiere. Allgemeine Stimmung durch die Natur, wie die Tiere die Erdbeben vorherempfinden. Völker, die mehr in der Einheit mit der Natur leben, haben einen stärkeren Zusammenhang mit ihr als wir, die wir von der Natur uns losgerissen haben.
- Inneres Licht; Umgang mit höheren Geistern; Hexensalbe von Hyoscyamus; die Hexen betäubten sich und gerieten in eine fürchterliche Phantasie, welche epidemisch wurde. Sie sind zu Tausenden verbrannt worden.
- Gespenster; oft äußerliche Erscheinungen als Veranlassung, welche die Phantasie aufgreift. Das böse Gewissen, von der Qual des Verbrechens gefoltert, macht sich durch gespenstige Gestalten objektiv.
- Verabredungen, im Leben nach dem Tode sich zu erscheinen.
- Schwärmerei; Fanatismus, religiöse Vorstellungen höher zu achten als alles Sittliche im Leben und als Begriffsverhältnisse.
Die Schwärmerei fällt in den Wahn, ein bildloses Gestalten der handgreiflichen Äußerlichkeit nachzusetzen. Das Sinnliche soll höher stehen als das Geistige. Das Absolute soll sich in die Äußerlichkeit legen. Im Dinge will man Gott sehen, ohne die Kunst; oder man will sich das absolute Wesen zur inneren Anschauung vor die Phantasie bringen; man will Gott ins Zeitliche, Sinnliche rücken. - Wahrhafte Übermacht der Vorstellung über die Anschauung durch den Willen, z. B. Mucius Scaevola.)

§ 152

b) Ein höherer Grad des in die Phantasie sich einschließenden Lebens ist der Somnambulismus, das eigentliche Nachtwandeln, oder andere Zustände dieser Art, in welchen bei schwächerer oder stärkerer äußerer Empfindung der Geist eine mehr innerliche Anschauung des Äußeren hat, überhaupt in sich tätig ist und zu ganzen Reihen äußerlicher Verrichtungen, wie man sie im Wachen vornimmt, fortgeht.

(Der Somnambulismus ist α) der gewöhnliche im Schlaf: Musik hören, lesen, briefschreiben, sprechen, an gefährliche Orte gehen. Wasserwannen vor dem Bett; starke Erschütterungen; β) der epileptische; durch die Finger, auf dem Magen lesen usf.;
γ) der magnetische; der Kranke antwortet nur dem, der mit ihm in Rapport steht.)

§ 153

e) Die Verrücktheit hat außerdem, daß das Phantasieren in der Fieberhitze ein ähnlicher, von Krankheit abhängiger Zustand ist, sehr verschiedene Modifikationen wie Narrheit, Wahnsinn, Raserei usf. und ist überhaupt eine Übermacht von Phantasievorstellungen im wachen Zustande über die Anschauungen und verständigen Vorstellungen.
Die Narrheit hat irgendeine einzelne, fixe Vorstellung, die verrückt ist, und ist mit Richtigkeit der übrigen Vorstellungen in der fixen Vorstellung verbunden.
Der Wahnsinn ist eine allgemeine Zerstörung der geistigen Natur. Als Raserei oder Tollheit ist diese Verrücktheit mit bösem tückischen Willen und tobenden Ausbrüchen verbunden.

(Einbildung, ein König, Kardinal, eine Person in der Gottheit zu sein. Melancholie aus Vorstellung von moralischem Unwert.
Es glaubte jemand, wenn er pisse, eine ganze Stadt zu überschwemmen; ein anderer, er sei ein Gerstenkorn, und die Hühner würden ihn fressen; ein dritter, er habe Füße von Glas, ein Glöckchen im Leibe usf.
- Die Ursachen sind α) körperlich; oft natürliche, angeerbte Disposition; Eindrücke zur Zeit der Schwangerschaft; Ausschweifungen; giftige Kräuter; Hundswut; Krankheitsmaterie, die sich auf die Nerven, auf das Gehirn wirft usf.;
β) geistig; eine höchst lebhafte Vorstellung, z. B. sind Menschen vor Freude nicht nur gestorben, sondern auch wahnsinnig geworden; Zerrüttung durch Leidenschaften, Liebe, Stolz, Hoffnung, Eitelkeit, Täuschung; Mißtrauen zerreißt den Zusammenhang mit der Außenwelt; sein Leben in sich hinein, in seine Einzelheit vergraben usf.
- Die Heilart der Seelenstörungen ist demnach auch körperlich und geistig.)

§ 154

3. Produktive Einbildungskraft.
Die höhere Einbildungskraft, die dichtende Phantasie, steht nicht im Dienst zufälliger Zustände und Bestimmungen des Gemüts, sondern im Dienst der Ideen und der Wahrheit des Geistes überhaupt. Sie streift die zufälligen und willkürlichen Umstände des Daseins ab, hebt das Innere und Wesentliche desselben heraus, gestaltet und verbildlicht es.
- Diese Form des erscheinenden Daseins, die sie ihm gibt, ist nur von dem Wesentlichen getragen, beherrscht, durchdrungen und zur Einheit verbunden.
- Das Symbolisieren der Einbildungskraft besteht darin, daß sie sinnlichen Erscheinungen oder Bildern Vorstellungen oder Gedanken anderer Art unterlegt, als sie unmittelbar ausdrücken, die jedoch eine analoge Beziehung mit ihnen haben und jene Bilder als den Ausdruck derselben darstellen.

(Das Dichten ist nicht Nachahmen der Natur. Die Poesie ist in höherem Sinne wahr als die gemeine Wirklichkeit.
Der Dichter ist ein tiefer Geist, der die Substanz durchschaut, die ein anderer auch in sich hat, aber die ihm nicht zum Bewußtsein kommt. Es gilt auch hier, daß es für den Kammerdiener keine Helden gibt. Es heißt: ich habe diesen ja auch gekannt, aber nichts davon gesehen; oder: ich habe die Liebe auch gekannt, aber nichts in ihr von dem gefunden, was der Dichter davon sagt.
Darum ist der Dichter ein Seher.
- Die Pracht der Natur vereinigt der Dichter zu einem Ganzen als Attribut irgendeines Höheren:
Ätherblau ist sein Gewand, Blüten seine Boten usf.
- Ceres und Proserpina. Basis der Idee. - Sommer: Vergißmeinnicht.
- Sonnenaufgang: "So quoll die Sonn' hervor, wie Ruh' aus Tugend quillt." Sonnenuntergang: "So stirbt ein Held."
- Symbolik von Brot und Wein in den Eleusinischen Mysterien und im Christentum.
- Ein tiefes Gemüt symbolisiert überhaupt; Neigung der Deutschen zur Gedankenpoesie der Natur usf.)

 

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