A. Erinnerung
§ 135
1. Die Anschauung ist die unmittelbare Vorstellung, worin die Gefühlsbestimmungen zu einem vom Subjekte abgetrennten Gegenstande gemacht sind, welcher frei von dem einzelnen Subjekte und zugleich für dasselbe ist. Aber ebensosehr ist er nicht für es als einzelnes, sondern für alle.
§ 136
Das Objekt ist, so gesetzt als außer dem Subjekt und an ihm selbst als einem Außereinander, teils das ruhige Nebeneinander des Raums, teils das unruhige Werden im Nacheinander der Zeit. Raum und Zeit sind das abstrakte Anschauen oder die allgemeinen Formen der Anschauung.
§ 137
In diesen allgemeinen objektiven Elementen ist das Objekt, außerdem daß es den Inhalt der Gefühlsbestimmungen hat, zugleich ein einzelnes, in Raum und Zeit vollkommen bestimmtes, mit anderen Gegenständen vor, neben und nach zusammenhängendes.
(Die Dinge durch diese Bestimmtheit in Zeit und Raum und durch einander nach ihren Bestimmungen sind gefangen und im allgemeinen Kerker.)
§ 138
2. Vorstellung. Das Gefühl wird in der Anschauung objektiv. Das Subjekt ist in unmittelbarer Beziehung darauf in sie versenkt, so daß es eigentlich im Anschauen noch kein anderes als jenes objektive, räumliche und zeitliche Sein hat. Die freiwillige Tätigkeit der Intelligenz besteht hier in der Aufmerksamkeit auf das mannigfaltige Dasein des Gegenwärtigen und in der Willkür, bei dem einen Inhalt zu verweilen oder zu einem anderen überzugehen; Fassungskraft.
§ 139
Die Anschauung ist aber als Objekt zugleich für das Subjekt. Dies letztere als das an und für sich seiende nimmt sich aus seinem Außersichsein zurück, reflektiert sich in sich und scheidet sich von der Objektivität, indem es die Anschauung subjektiv zum Bilde macht.
§ 140
Die Anschauung, in das Ich versetzt, ist nicht nur Bild, sondern wird Vorstellung überhaupt. Es bleibt nicht dabei, daß die ins Innere aufgenommene Anschauung vollkommen der unmittelbaren Anschauung entspreche, sondern sie wird von ihrem Zusammenhang in Raum und Zeit befreit und herausgenommen. Sie ist ein aufgehobenes, d. h. ebensosehr nichtseiendes als aufbewahrtes Dasein.
§ 141
Die Anschauung ist als Vorstellung die eigene Zeit und der eigene Raum des Subjekts, in die Zeit und den Raum als allgemeine Formen versetzt. Durch das Aufheben der besonderen Zeit der Anschauung wird sie dauernd; durch das ihres besonderen Raumes ist sie überall.
§ 142
Ferner wird die konkrete Anschauung in ihren mannigfaltigen Bestimmungen oder in ihrer Einheit aufbewahrt, aber ebenso auch von dem Bande ihrer Einzelheit befreit. Die Teilbestimmungen fallen auseinander und werden zu Abstraktionen, die für sich ohne den sinnlichen Zusammenhang, in welchem sie dem Subjekt zuerst erschienen sind, bestehend vorgestellt werden.
§ 143
3. Erinnerung. Die Vorstellung als die erinnerte oder allgemein gemachte Anschauung verhält sich zur unmittelbaren Anschauung als Bleibendes und Allgemeines zum Einzelnen. Die Erinnerung ist nicht sowohl eine Vergleichung zweier einzelner Anschauungen, als daß die jetzige einzelne Anschauung unter die bereits allgemein gemachte oder die Vorstellung subsumiert wird. Die Dieselbigkeit, die ich erkenne, ist einerseits die Identität ihres Inhalts, anderseits erkenne ich in der jetzigen Anschauung die Identität meiner mit mir selbst oder erinnere mich in ihr.
§ 144
Das Bild oder die Vorstellung wird nicht dadurch zu etwas Allgemeinem, daß dieselbe Anschauung öfter wiederholt würde und diese mehreren Anschauungen in ein Bild, das mehr oder weniger abstrakt wäre, zusammenfielen, entweder bewußter oder so, daß man sich bei jeder einzelnen Anschauung an die vorhergehende erinnerte, sondern die Anschauung erhält unmittelbar dadurch, daß Ich sie aufnehme, die Form der Allgemeinheit. Sie ist daher eine Subsumtion. In der Erinnerung wird durch eine gegenwärtige Anschauung oder Vorstellung das Bild von einer vergangenen hervorgerufen, welche die nämliche war als die gegenwärtige. Jene vorhergehende ist das Dauernde und Allgemeine, unter welches ich die jetzige einzelne subsumiere.
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