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Georg
Wilhelm Friedrich
Hegel

Nürnberger Schriften

I. Texte zur Philosophischen Propädeutik

1.Philosophische Enzyklopädie
für die Oberklasse
(1808 ff.)

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Erster Abschnitt: Mathematik

§ 99

Raum und Zeit sind die daseienden Abstraktionen, oder reine Form, reine Anschauung der Natur,
- der Raum der daseiende Gedanke der allgemeinen gleichgültigen Verschiedenheit überhaupt, die Zeit der daseiende Gedanke der negativen Einheit oder des reinen Werdens.

§ 100

Raum und Zeit sind unendlich, d. h. in der abstrakten Kontinuität ihres Außersichseins grenzenlos.
Als Ideen aber haben sie Bestimmungen in ihnen selbst, welche den Begriff in seinen Momenten darstellen: die Dimensionen.

§ 101

1. Die Dimensionen des Raums sind Momente desselben, die nicht außereinander sind, sondern wo das eine ist, ist auch jedes der anderen. Auch sind sie zwar die formellen Unterschiede, das eine, das andere und das dritte als Einheit derselben.
Aber um der qualitätslosen Einheit des Raumes willen sind sie nicht bestimmt gegeneinander, sondern leere Unterschiede, die nur in Rücksicht auf einen weiteren Gegenstand eine ihnen selbst fremde Bestimmtheit erhalten.

§ 102

2. Die Dimensionen der Zeit sind
a) die Vergangenheit, das Dasein als aufgehobenes, als nicht daseiend,
b) die Zukunft, das Nichtdasein, aber bestimmt, dazusein,
c) die Gegenwart als das unmittelbare Werden und die Vereinigung beider.

§ 103

Weil der Raum in der Bestimmung eines realen, gleichgültigen Daseins ist, so erscheinen auch reale Grenzen an ihm, und seine Dimensionen, die zunächst nur bloße Richtungen überhaupt sind, machen die Formen dieser seiner Begrenzung aus.

§ 104

Der Begrenzung des Raums kommt nur die gleichgültige Bestimmung der Quantität zu.
Die kontinuierliche Größe, welche zunächst die Art seiner Quantität überhaupt ist, ist selbst eine unbestimmte Bestimmung.
Die absolute Bestimmtheit liegt in der diskreten Größe, deren Prinzip das Eins ist.

§ 105

Der Raum ist der Gegenstand einer (synthetischen) Wissenschaft, der Geometrie, weil in ihm als solchem sich das kontinuierliche Quantum schematisieren, d. h. anschaulich darstellen kann und weil in ihm, als dem Element der gleichgültigen, außereinander seienden Mannigfaltigkeit, die jedoch zugleich kontinuierlich ist, der Begriff eines Gegenstandes sich in realer Gestalt ausdrückt, die mehr in sich enthält als die wesentliche Begriffsbestimmung.

§ 106

Die Zeit jedoch als solche ist nicht fähig, vollständiges Schema oder Figur des Quantums zu sein.
Sie ist als das unruhige Werden nicht ein Element für synthetische Ganze.
Indem sie zur Quantität wird, geht sie in die negative Quantitätsbestimmung, in das Eins über, welche das Prinzip für eine (analytische) Wissenschaft des Quantums, die Arithmetik, ist, weil die Verbindung des Eins nicht eine eigene elementarische Anschauung der Realität, sondern so beschaffen ist, wie sie gesetzt wird. 

§ 107

In der Arithmetik und Geometrie werden die Quanta miteinander verglichen, die, so willkürlich und allgemein ihre Größe sein kann, doch nach dieser ihrer Bestimmung, die ihnen zukommt, insofern sie nicht im Verhältnisse sind, als vollkommen oder für sich bestimmte Quanta, als endliche Größen gelten. Die Analysis des Unendlichen, vornehmlich aber die Differential- und Integralrechnung betrachtet unendliche Größen, d. h. solche, die nicht mehr die Bedeutung von endlichen oder für sich vollkommen bestimmten Größen haben, sondern verschwindende Größen sind, welche allein in ihrem letzten Verhältnisse oder an ihrer Grenze, d. h. rein nur im Verhältnisse ihren Wert haben.

§ 108

Die Differentialrechnung findet für eine Formel den Ausdruck des letzten Verhältnisses ihrer veränderlichen, endlichen Größen. Die Integralrechnung sucht umgekehrt für Formeln, welche letzte Verhältnisse enthalten, den endlichen Ausdruck.

§ 109

Die angewandte Mathematik wendet die reine Mathematik auf die Größenverhältnisse der Natur an, welche sie aus der Erfahrung aufnimmt.

 

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